Wer einen Jagdschein hat, den erwarten nicht nur Aufgaben, für die man eine Waffe braucht. Welche das sind und was die Jagd als Hobby ausmacht, das haben uns Vanessa und Max erzählt.
Von Carolin Scheidel und Caroline Wagner
Das Wildtier ist im Visier, der Finger am Abzug ist bereit zum Abschuss: Ruhe und Konzentration sind jetzt gefragt. Wer JägerIn wird, geht einem Hobby mit großer Verantwortung nach. Das weiß auch Max. Bei dem 31-Jährigen aus Bayern ist Jagen eine echte Familientradition, schon sein Urgroßvater war Jäger. Und auch die 26-jährige Vanessa hat als Jugendliche ihren Vater auf der Jagd begleitet. Mit Anfang 20 hat sie ihre Jägerprüfung, das sogenannte „Grüne Abitur“, bestanden. Vanessa und Max liegen damit weit unter dem Altersdurchschnitt der Jäger in Deutschland. Noch liegt dieser zwischen 65 und 70 Jahren. Doch immer mehr Jüngere interessieren sich für die Jagd, der Altersdurchschnitt in den Jagdkursen liegt mittlerweile bei etwa 35 Jahren und auch die Zahl der Jagdscheininhaber steigt. In Deutschland gab es im Jagdjahr 2018/2019 knapp 390.000 Jagdscheininhaber, das waren etwa 40.000 mehr als vor zehn Jahren.
Bauen, einrichten, kontrollieren
Wer glaubt, zum Jäger-Hobby gehöre nur das Schießen von Wildtieren, der irrt sich. Tatsächlich verbringen Jäger den Großteil ihrer Zeit nicht mit dem Abfeuern des Gewehrs. Das sagt auch Anna Martinsohn vom Deutschen Jagdverband: „Schießen macht vielleicht 0,1 Prozent der gesamten Jägertätigkeit aus. Die meiste Zeit heißt es Sitzen und Beobachten oder das Revier pflegen und kontrollieren.“
Da es in Deutschland ein Reviersystem für das Jagen gibt, müssen JägerInnen zunächst ein Revier pachten. Für einen bestimmten Zeitraum, meistens von neun Jahren, dürfen JägerInnen diese Fläche dann bejagen. Auch eine Pacht von einem Jahr ist möglich. Hat ein(e) JägerIn ein Jagdrevier gepachtet, heißt es zunächst: Reviereinrichtung. Hochstände und Futtereinrichtungen müssen gebaut werden, im Frühjahr müssen die Hochsitze gereinigt und Leitersprossen getauscht werden. Die Tätigkeiten als JägerIn nehmen somit eine Menge Zeit in Anspruch. Max wusste das schon als Kind. Dreiviertel der Wochenenden im Jahr hat er mit seinem Vater in dessen Jagdrevier verbracht. Die eigentliche Jagd, also das Schießen von Wildtieren, hat dabei aber eine untergeordnete Rolle gespielt, wie Max erzählt:
Jägerlatein
Auch Vanessa ist durch ihren Vater zur Jagd gekommen und hat schon als Kind viel gelernt: „Beim Dachs heißt es zum Beispiel nageln, wenn er läuft. Da habe ich schon mal gemerkt, dass das ein ganz anderes Vokabular ist, als man es eigentlich kennt. Und ich habe gelernt, dass ein Reh nicht die Frau vom Hirsch ist, sondern dass es sich dabei um zwei verschiedene Gattungen handelt.“
Während der Ausbildung bekommt ein(e) JungjägerIn nicht nur das Jägerlatein vermittelt, sondern auch Jagdzeiten und Waffenkenntnisse gelehrt. Vom Schießen bis hin zum Hochsitzbau – die Ausbildung deckt ein breites Spektrum ab, denn die Jagdgeschichte reicht weit zurück. Viele Traditionen werden bei der Jagd bis heute fortgeführt, so wird beispielsweise das Wild nach einer Drückjagd von Jagdhornbläsern „verblasen“. Jede Wildart besitzt ihr eigenes Totsignal. „Die Jäger stehen so, dass sie am Kopf der erlegten Stücke stehen, die Treiber stehen immer hinter dem Stück und die Jagdhornbläser stehen oberhalb des Wildes“, erzählt Vanessa. Dem toten Tier wird damit Respekt gezollt. Neben alten Traditionen findet auch neueste Technik ihren Platz bei der Jagd. So erzählt Vanessa, dass sie mit Wärmebilddrohnen auch Felder abfliegen, um Rehkitze vor Mähdreschern zu retten.
Auf der Pirsch
Für JägerInnnen gibt es Abschusspläne von der Unteren Jagdbehörde. Darin stehen fixe Vorgaben, wie viele Tiere im Jagdrevier erlegt werden müssen. Diese Vorgaben richten sich nach Verbissgutachten und Wildschäden. Solche Vorgaben gibt es beispielsweise bei Rehwild und Rotwild (Hirsche). Eine Ausnahme bildet das Schwarzwild (Wildschweine) – aufgrund der hohen Population sollten JägerInnen möglichst viel Schwarzwild erlegen. Halten sie sich nicht an die Abschusspläne, könnte beispielsweise ein anderer Jäger auf ihre Kosten angestellt werden, der die Vorgaben erfüllt.
Außerdem müssen sich JägerInnen an die gesetzlich festgelegten Jagd- und Schonzeiten halten. Diese variieren von Bundesland zu Bundesland. In Hessen beginnt die Bockjagd beispielsweise schon am 1. April, in Bayern dagegen erst einen Monat später, am 1. Mai. Und sie dürfen nur Tierarten schießen, die dem Jagdrecht unterliegen. Diese Liste verändert sich stetig und kann beim Deutschen Jagdverband eingesehen werden.
Beim Abschuss muss dann alles zusammenpassen, damit es funktioniert. „Am Schönsten wäre es, wenn man das Wild gar nicht erschießen müsste und es direkt umfallen würde, denn jeder Schuss entwertet das Fleisch. Man will das Tier möglichst schnell erlegen, sodass es nicht leidet. Deshalb muss man sich vor dem Abschuss ganz sicher sein“, erzählt Max.
Jagdfieber
Bei seinem allerersten Abschuss überkam Max das sogenannte Jagdfieber: Wenige Sekunden vor dem Abschuss ging sein Puls in die Höhe, die Atmung wurde schneller, „denn in diesem Moment lag eine große Verantwortung auf mir. Mir ging also ganz schön die Düse. Ich habe den Hirschbock dann sauber getroffen und war danach sehr erleichtert“, erzählt der 31-Jährige.
Nach dem Abschuss geht es dann für die Jäger weiter: „Man muss das Tier aufbrechen, also die Innereien aus dem Wildkörper rausnehmen, das Wild kühlen wegen der Wildbretyhgiene und anschließend einen Käufer organisieren“, erzählt Vanessa. Ein Prozess, der auch im Nachgang sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und zur Jagd dazugehört.
Jäger-Motive
Das Fleisch zu verkaufen ist eine Möglichkeit, viele Jäger essen ihr erlegtes Wild aber auch gerne selbst. Max zählt dazu. „Alles kann ich aber auch nicht schaffen, weil meine Freundin zum Beispiel nicht gerne Wild isst, deshalb gebe ich auch Fleisch an den Wildbrethändler ab“, sagt er.
Laut einer Umfrage des Deutschen Jagdverbands aus dem Jahr 2018 ist die Liebe zum Wildfleisch bei knapp der Hälfte der Befragten ein Motiv für die Wahl des Jäger-Hobbys. Weitere 50 Prozent geben an, Freude an der Jagd zu haben. Aber auch der angewandte Naturschutz ist ein oft genanntes Motiv. „Ein grundsätzliches Interesse an Natur- und Umweltthemen, Naturverbundenheit und in vielen Fällen eine Liebe zur Heimat im Sinne von: Ich bin hier verwurzelt und komme hier her, sind ebenso wichtig wie ein Interesse für Tiere, Natur- und Artenschutz“, antwortet Anna Martinsohn vom Deutschen Jagdverband, auf die Frage, was Jäger mitbringen sollten.
Für Max ist es vor allem die Zeit in der Natur, die den Reiz an seinem Hobby ausmacht. „Als Jäger muss man den Wald hören und spüren, man muss schauen: Wo zieht Wild, welche Stellen sind günstig für den Ansitz? Es ist also ein viel intensiverer Austausch, den man als Jäger mit seinem Revier hat. Das schärft den Blick. Ich habe mittlerweile ein Auge dafür, wo sich was bewegt. Ich denke, so geht es vielen Jägern“, erzählt er. Aber auch das Warten fasziniert ihn. Er beschreibt es als „achtsames Genießen“:
Jagen – nur was für Männer?
Als Frau zählt Vanessa bisher noch zu der Minderheit unter den Jägern, denn der Frauenanteil liegt aktuell bei sieben Prozent. Doch die Tendenz ist steigend: Bei der letzten Jungjägerbefragung des Deutschen Jagdverbands aus dem Jahr 2017 waren ein Viertel der JagdschülerInnen Frauen.
Ob weiblich oder männlich – Vanessa stellte während der Jagdausbildung und auch danach keine Unterschiede fest. Ganz im Gegenteil – sie hat sich in der Jagdgesellschaft sehr gut aufgenommen gefühlt: „Ich muss sagen: Durchsetzen ist absolut fehl am Platz, ich werde sehr offen und warmherzig aufgenommen von den Jägern.“