Mein Revier

Zwischen Bäumen, Akten und Vorurteilen: Immer mehr Frauen ergreifen den Beruf der Försterin. Nicht immer wird das gut angenommen.

Von Anna Parschan und Katharina Seeburger

„Im Wald ist es am schönsten“, schreibt Viktoria Abbt zu einem Foto in ihrem öffentlichen Instagram-Kanal. Auf dem dazugehörigen Bild ist sie auf einem Waldweg zu sehen. Mit einem Gewehr auf der Schulter, ihr Jagdhund neben ihr. Viktoria Abbt ist 28 Jahre alt und hat in Bayern Forst- und Holzwissenschaften studiert.

Zwei Wege führen zum Traumberuf FörsterIn. Viktoria Abbt hat sich für die Verwaltungslaufbahn entschieden. (Grafik: Marisa Huber/Tobias Pappert)

Sie gehört zu den etwa 30 Prozent Frauen, die in Deutschland die Ausbildung zur Försterin machen. So viele wie noch nie. Vor 30 Jahren war diese Zahl sehr viel niedriger. Wie waren sie, die Anfänge von Frauen im Försterberuf?

Nur zwölf Frauen von insgesamt 120 Studierenden waren Anfang der 1980er Jahre in Petra Webers Jahrgang. Sie hat  Forstwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Bayern studiert. Petra Weber ist heute 54 Jahre alt, Försterin und leitet das 2000 Hektar große Forstrevier Wolfsegg bei Regensburg. Sie war schon als Kind gerne in der Natur und im Wald. Petra Weber erinnert sich an die Zeit, als sie sich überlegt hat, was sie beruflich machen möchte. „Mein Bruder, der selbst Förster ist, hat mir damals erklärt, dass ich das auch als Frau machen kann”, sagt sie. Das schien ihr nicht bewusst gewesen zu sein, denn Frauen als FörsterInnen waren extrem selten.

Christiane Lorenz-Laubner ist 55 Jahre alt, ebenfalls Försterin und leitet das Revier Kappellenfleck im niedersächsischen Harz mit 1700 Hektar Wald. Auch sie hat Forstwirtschaft studiert, an der Hochschule Göttingen in Niedersachsen. Christiane Lorenz-Laubner war in ihrem Jahrgang eine von vier Frauen unter circa 60 Studierenden. Mitte der 1980er Jahre schloss sich Christiane Lorenz-Laubner in Göttingen mit den anderen Frauen aus den Forst-Studiengängen zu einem Stammtisch zusammen – aus dem später der Verein „Frauen im Forstbereich“ hervorging. Seit 2014 ist sie zweite Vorsitzende und setzt sich für die Gleichstellung von Frauen im Forstbereich ein.

Beide Frauen sind Försterinnen, leiten ein eigenes Revier, haben Kinder und sind seit Jahrzehnten im Dienst. Als Frauen in einem männerdominierten Beruf haben sie aber unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

 Zwei Frauen, zwei Erfahrungen

„Als Praktikantin während des Studiums war ich immer etwas Seltenes damals, aber es war kein Problem“, sagt Petra Weber. Auch später, im Berufsleben, habe sie keine negativen Erfahrungen gemacht. Trotzdem hatte sie von ihren Studienkolleginnen gehört, dass diese immer mal wieder Probleme hatten, weil sie Frauen sind. Und dass diese an Praktikumsplätze gerieten, an denen Frauen nicht erwünscht waren.

Christiane Lorenz-Laubner engagiert sich im Verein Frauen im Forstbereich.

Andere Erlebnisse als Petra Weber hatte Christiane Lorenz-Laubner. „Ja klar“, antwortet sie fast überrascht auf die Frage, ob sie sich diskriminiert gefühlt habe. „Ich habe da mal meine eigene Chronik aufgeschrieben“, beginnt sie ihre Aufzählung: sexuelle Belästigung im Praktikum, Diskriminierung in der AnwärterInnen-Ausbildung, Benachteiligung bei Beförderungen oder Stellenvergabe. In ihrer AnwärterInnenzeit soll ihr Ausbilder sie gefragt haben, warum sie als Frau denn die Ausbildung zur Försterin überhaupt mache. „Denn, ich hätte doch einen Mann, der schon Förster sei“, erinnert sich Christiane Lorenz-Laubner.

Und heute? „Heute lasse ich mir die Butter überhaupt nicht mehr vom Brot nehmen”, sagt sie. Allerdings komme es nicht immer gut an, wenn sie in Dienstbesprechungen Kritik übt. „Ich wage zu behaupten, dass Frauen in meinem Alter dann als ‘die hat Haare auf den Zähnen‘ verschrien sind“, fährt Christiane Lorenz-Laubner fort.

Eine neue Generation von Frauen

Sie sei heute zwar selbstbewusster und könne sich mehr durchsetzen, sagt sie. Ihr Gefühl ist aber, dass sie nun aufgrund ihres Alters von ihren Kollegen ernster genommen werde, und nicht weil sich die Situation für Frauen in Forstberufen stark verändert hätte. Verändert hätten sich aus ihrer Sicht aber die jungen Frauen, die heute in den Beruf starten. Christiane Lorenz-Laubner fällt ein Generationenwechsel auf: „Die jungen Frauen sagen Dinge, die wir uns nicht getraut hätten.“ Das finde sie gut. Frauen ihrer Generation würden im Vergleich zu jungen Frauen Autoritätsgefälle eher anerkennen, auch wenn sie  Kritik äußern und sich durchsetzen. „Die jungen Frauen heute strotzen vor Selbstbewusstsein“, ergänzt sie.

Dieses Selbstbewusstsein ist auch Viktoria Abbt anzumerken. Ob sie sich Gedanken darüber mache, dass sie in ihrem Beruf nicht akzeptiert werden könnte, weil sie eine Frau ist? Nein, sagt sie und wirkt überrascht von dieser Frage. Schlechte Erfahrungen, weil sie eine Frau ist, habe sie bisher nicht gemacht. Mit ihrem letzten Chef habe sie sich gut verstanden.

Steigender Frauenanteil

Viktoria Abbt hat ihre neunjährige Ausbildung mit Studium und Referendariat beendet. Ihr  Ziel ist die Leitung eines Forstamtes. Der Anteil von Frauen in den Forstberufen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. In Niedersachsen beispielsweise wurden im Jahr 2005 lediglich 15 bis 20 Prozent Frauen in den Vorbereitungsdienst für die Leitung eines Revieres, die sogenannte AnwärterInnen-Zeit, eingestellt. 2019 waren 40 Prozent weiblich. Inzwischen machen Frauen ein Drittel der Mitarbeitenden der Niedersächsischen Landesforsten aus. Bei den Bayerischen Staatsforsten waren es im gleichen Jahr hingegen nur 17,8 Prozent.

Trotzdem sind in den Forstberufen Frauen nach wie vor in der Unterzahl. Aus Petra Webers Sicht liegt das unter anderem an den Klischees über den FörsterInnen-Beruf. Als FörsterIn müsse man körperlich schwer arbeiten, mit der Motorsäge Bäume fällen und schwere Baumstämme schleppen. In der Realität braucht es keine Muskelpakete und Sportskanonen, sondern Organisationstalente. Petra Weber koordiniert und verwaltet die meiste Zeit, wenn sie nicht auf Waldgang oder Bestandskontrolle unterwegs ist.

Frauen erwünscht

Petra Weber gehört zu den wenigen Frauen, die in der Oberpfalz ein eigenes Forstrevier leiten. Einer ihrer Reviernachbarn ist Ernst Süß. Er leitet das Forstrevier Essing bei Kelheim, circa 40 Kilometer von Petra Weber in Wolfsegg entfernt. Wie seine Kollegin blickt auch Ernst Süß auf eine lange Dienstzeit zurück.

Seit vier Jahren begleitet die Westfälische Dachsbracke Fanni ihren Förster Ernst Süß im Wald.

Seit nunmehr über 30 Jahren ist der 60-Jährige Förster. Viel hat sich verändert. Dass er zunehmend weibliche KollegInnen hat und junge Frauen wie Viktoria Abbt Försterin werden wollen, findet er: „Perfekt.“ Seinem Eindruck nach, haben Frauen auch ein gutes Gefühl dafür, was sie draußen im Wald machen.

Investition in den Nachwuchs

Seit 20 Jahren bildet der Bayer aus. Für ihn eine Investition in die Zukunft. „Unsere Arbeit sind Langzeitprojekte. Man muss mehr als in Jahrzehnten denken“, sagt er. Das Geschlecht spiele keine Rolle. „Wir brauchen Leute, die den Wald betreuen wollen.“

Mit Köpfchen und Leidenschaft

Was für ihn im FörsterInnen-Beruf zählt: Den Kopf einschalten, nicht nur stur nach Vorschriften arbeiten und Leidenschaft für die Natur. Auch bei einer 80-Stunden-Woche. Früher, erzählt er, hätten Försterinnen bei der Beratung von Privatwaldbesitzern auf dem Land Glaubwürdigkeitsprobleme gehabt. Auf solche Herausforderungen werden Studierende heute vorbereitet. So war es beispielsweise Teil von Viktoria Abbts Abschlussprüfung, sich in einem Rollenspiel gegen einen Bauern behaupten zu müssen.

Mit Leib und Seele dabei zu sein, findet Ernst Süß wichtig. Diese Leidenschaft für den Beruf spürt man auch bei der angehenden Försterin Viktoria Abbt. Naturliebhaberin, Försterin, Imkerin und Jägerin – so beschreibt sie sich selbst auf ihrem Instagram-Account. Ihr Feed ist voller Bilder im Grün, auf der Jagd oder bei der Waldarbeit.

„Ich war schon als Kind immer sehr naturverbunden. In der Grundschule war Heimat- und Sachkunde mein Lieblingsfach“, erzählt sie. Heute steht sie kurz vor dem Berufseinstieg und wartet auf die Ergebnisse ihrer großen forstlichen Staatsprüfung. Noch ist ungewiss, welche Stadt ihr neues Zuhause und welcher Wald ihr erster Arbeitsplatz wird. Gewiss ist jedoch, ihre Liebe und Leidenschaft für die Natur kann sie auf jedem Fleckchen Erde ausleben. Das will sie auch weiterhin auf ihrem Instagram-Kanal teilen. Ihre FörsterInnen-Karriere beginnt jetzt erst richtig – von welchen Erfahrungen sie in 30 Jahren als Frau in einem vielleicht immer noch von Männern dominierten Beruf erzählt, wird sich zeigen.